STEFAN KAEGI / RIMINI PROTOKOLL (CH/D)
"v.l.n.r. - Gruppen von Gruppen"
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Was verbindet australische Nudisten, ungarische Eisenbahner, Citigroup-Wettbewerbsgewinner und das Autismus-Research-Team Guatemala?
Sie haben sich vor Kameras zu Gruppen versammelt um ihre Gesichter scharenweise ins Internet zu überführen. Im Medium der Individualisten und der jederzeit-Flexiblen erscheint das Gruppenbild als bleibender Wert. Wir laden uns hoch, damit andere uns runterladen können. Wir schauen hinein, um zu sehen, wie wir gemeinsam ausgeschaut haben.
Das Gruppenbild ist das Gegenteil eines Logos. Wo das Logo alle Teile unter einem Erscheinungsbild synthetisiert, überleben im Gruppenbild alle Teile nebeneinander, heterogen. Ein Sozial-Barometer.
Gefängniswärter, Tischtennisclubs, Abgasforschereinheiten, die Florida Highway Patrol, das Pferdeakrobatikteam "Biel 1" oder das Shaping-the-future-of-Scotland-Kommittee... - Schulter an Schulter bilden sie Hierarchien, Arbeitsverhältnisse, Partnerschaften oder Freundschaftsmodelle ab. Ausgerechnet vor dem Monitor begegnet das Surfer-Individuum einem sozialen Aquarium.
Das Ensemble der Fritschispiele vor der letzten Vorstellung, der HSG Gensungen Felsberg vor dem ersten Spiel der Saison, die John R. Oishei Foundation bei der Überreichung eines 9-Million-Dollar-Checks... Auf diesen Bildern ist eingefroren, in digitalen Fels gehauen und veröffentlicht, was nur für Sekundenbruchteile zusammengehörte und danach wieder in seine Monaden zerfiel.
Das Gruppenbild überlebt als historisches Zeugnis: wie es aus dem Internet heraus auf den digitalen Flaneur schaut bleibt es als Spiegel zeitgenössischer Gemeinschaft übrig. Was sagen Gesichter, wenn sie gemeinsam schweigen?
Stefan Kaegi hat 100 Internet-Gruppenfotos ausgewählt - auf der Suche nach den Massen von Google-Land. Im Atelier Frankfurt wird er sie zeigen, kommentieren, zur Diskussion stellen - und vielleicht Musik dazu spielen..
www.hygieneheute.de
www.rimini-protokoll.de
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Stefan Kaegi ist in Solothurn (Schweiz) aufgewachsen, hat in Zürich Kunst, in Giessen angewandte Theaterwissenschaften studiert. Seit dreieinhalb Jahren lebt er als Nomade zwischen Hotelzimmern und unterschiedlichsten Proberäumen. Sein Postfach ist in Berlin, zwei Kisten stehen in Frankfurt.
Seine Hörspiele "Kugler Der Fall" und "Warum Jodie Foster kein Wasser will" wurden von diversen Sendern in Deutschland und der Schweiz gesendet. Für das Schweizer Radio und die Intermedium2 am ZKM Karlsruhe inszenierte er das Live-Hörspiel "Glühkäferkomplott". Seine argentinische Inszenierung "Torero Portero" war bei Theater der Welt 02 zu Gast und kehrte 2003 nach Berlin, Frankfurt und Slowenien zurück. In Brasilien inszenierte er unter dem Titel Matraca Catraca eine Busreise durch die Slums. In Buenos Aires realisierte er mit fünf Haustierbesitzern "Sentate. Ein "zoostituto" für das Teatro Sarmiento. In Graz fuhren akustisch manipulierte Motorräder als "Dolly Grip Graz" durch die Kulturhauptstadt. Für das Goethe Institut Krakau inszenierte er die Verfolgungsschnitzeljagd "Skrót. Krakau Files".
Mit Bernd Ernst begründete er 1998 das Label "Hygiene Heute", um Pannen und theatrale "Ready-Mades" ins Theater zu holen. So empfingen die beiden zum "Kongress der Schwarzfahrer" auf Kampnagel über 60 Spezialisten. In der Audiotour "Kirchner" wurden die Hinterhöfe von Frankfurt, Giessen und München zum begehbaren Bühnenbild. Im Juni 2001 konferierten über 70 reinrassige Diplomaten im Museumsquartier Wien unter dem Titel "Europa tanzt. 48 Stunden Meerschweinchen Kongress", in Mannheim formierten sich in der Galerie Exit_Zeitraum über 100 000 Ameisen zu "Staat. Ein Terrarium". Zuletzt inszenierte Hygiene Heute für das Tanzquartier Wien zwei Teilchenphysiker mit ihren Experimenten. "Physik" tourte 2003 nach Frankfurt, Rotterdam und Berlin.
Gemeinsam mit Helgard Haug und Daniel Wetzel inszenierte Stefan Kaegi vier 80jährige Damen zu "Kreuzworträtsel Boxenstopp" im Künstlerhaus Mosonturm in Frankfurt, fünf schiesswütige Jungs in "Shooting Bourbaki" für das Luzerner Theater (ausgezeichnet mit dem Impulse Preis), die Hannover Innenstadt - durch 40 Feldstecher aus dem 10.Stock - in "Sonde Hannover", fünf Experten des mitteleuropäischen Todesarten zu "Deadline" für das Hamburger Schauspielhaus (eingeladen zum Berliner Theatertreffen) und Gerichtsspezialisten zu "Zeugen! Ein Strafkammerspiel" fürs Hebbel-am-Ufer-Theater in Berlin und Schauspiel Hannover. Für Theater der Welt 02 kopierten Ernst/Haug/Kaegi/Wetzel unter dem Label "Rimini Protokoll" gemeinsam mit 200 Bonner Bürgern eine ganze Bundestagssitzung live unter dem Titel "Deutschland 2".
Zur Zeit arbeitet Stefan Kaegi an Projekten in Newcastle, Brüssel, Kalkutta und am Wiener Burgtheater.
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