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Netzwerk als Heimat:
Verszenung als sozialer Prozess
Gespräch am Freitag, den 14. März 15 Uhr
in der Gründgens-Loge (Dt. Schauspielhaus)
Der Netzwerkgedanke dominiert unsere globalisierte Welt als Strukturmodell: Gehirn, Erinnerung, soziales Umfeld, effiziente Firmenstrukturen oder Aktienmärkte - alles Netzwerke. Wie in dem Spiel, bei dem jeder jeden über die sprichwörtlichen fünf Ecken kennt. Denn so sehen wir - mit Google - die Welt: Als ein Netz, in dem derjenige am wichtigsten ist, auf den die meisten anderen verweisen.
Wie aber funktioniert die Szene? Was konstituiert sie? Sind ähnliche Lebensziele und ästhetische Ausdrucksformen ausreichend als gemeinsamer Nenner der Vergemeinschaftung? Oder entsteht eine Szene aufgrund von gemeinsamen Erlebnissen? Anders gefragt: entsteht die Szene aus dem Event? Wie groß ist die Offenheit und Durchlässigkeit von Szenen: kommt tatsächlich jeder Interessierte ganz schnell und leicht rein? Wie erfolgt dagegen die Selbstbehauptung (Konkurrenz/Abgrenzung) der Szenen untereinander?
Und welche Kulturbedeutung haben Szenen, abgesehen von ihrer zunehmenden Relevanz für Marketingstrategien?
Das neue Vergemeinschaftungsmuster "Szene" findet sich insbesondere im soziokulturellen Bereich. Die zunehmende Theatralisierung und Eventisierung des Alltagslebens steht dabei in direktem Zusammenhang mit der Entstehung von Szenen. Im Gegensatz zu traditionellen Gemeinschaftsformen sind "Szenen" oft multilokal und können sich überall etablieren, solange sie nur geduldet sind. Mit ihrem ausbalancierten Verhältnis von Intimität und Anonymität bietet die Identitätsform "Szene" außerdem eine Rückzugsmöglichkeit aus der Tyrannei der Intimität der modernen Massenmedien.
Auch beugt Vernetzung einer Vermassung vor und ermöglicht den Zusammenschluss von Individuen, ohne dass diese ihre privaten Motive zugunsten eines gemeinsamen ideologischen Kompromisses aufgeben müssen. Stichwort Bambule: Vereint nicht auch der Protest gegen den Schill-Senat verschiedenste Szenen, die sonst kaum Berührungspunkte hätten? Und werden innerhalb dieser Allianz nicht auch die unterschiedlichsten Interessen verfolgt?
Kann man also von einem Prozess der "Verszenung" (Franz Liebl), der posttraditionellen Vergemeinschaftung, sprechen, der verstärkt klassische Gesellungsformen wie Familie, Verein, soziale und politische Bewegungen ergreift? Unterliegen alle klassischen Gesellungsformen einer schleichenden Verszenung? Und wie ließe sich dieser Prozess messen?
Unter anderem mit:
Nina Möntmann (Kunstkritikerin und Kuratorin), Mariola Brillowska (Künstlerin), Enno von Vehlten (Filmemacher "Schillernde Zeiten"), Harre Kühnast ("Click"), Cornelia Sollfrank ("old boys network")